Verpackungsanstalt für Traumwandel
Eine Begleitausstellung zur Neueröffnung der Buchhandlung am Hottingerplatz
9. – 13. Mai 2015
Öffnungszeiten:
Sa / So | 11–16 Uhr
Mo–Mi | 18–20 Uhr
Eintritt frei
Aufnahmen aus der Ausstellung: Sabine Dreher
Aufnahmen aus der Werkstatt des Wettbewerbs «Buchverpackungen»:
Am 8. Mai 2015 feiert die Buchhandlung am Hottingerplatz die Neueröffnung an der Hottingerstrasse 44. Viel Zeit ist vergangen seit dem Entschluss, in den damals erst geplanten Neubau auf der gegenüberliegenden Strassenseite zu ziehen. Mit diesem Umzug galt es, die Buchhandlung von Grund auf neu zu gestalten. Der Ladenbereich sollte für die Kundschaft zu einem einladenden Raum und die Einrichtung des «Backoffice» für die Arbeitsabläufe optimiert werden. Der Innenausbau wurde von Roland Eberle (re.Form) und die Neugestaltung des Erscheinungsbildes von Regula Ehrliholzer und Marc Droz (dr/eh) übernommen. Wir geben einen Einblick in die Entstehung der Ladeneinrichtung und des visuellen Auftritts mit über 30 Produkten vom Entwurf bis zur Umsetzung. Mit Modellen, Skizzen, Fotografien und Objekten von dr/eh und re.FORM.
Regula Ehrliholzer zeigt ausserdem Buchobjekte und Collagen, die als Nebenprodukt der gestalterischen Arbeit für die Buchhandlung am Hottingerplatz entstanden sind. Diesen Teil der Ausstellung setzt sie in folgenden, imaginären Zusammenhang:
Die lange Zeit des Baustellen-Anblicks an der Hottingerstrasse 44 hat in den Köpfen der (fiktiven) «Bernardo Soares & Cie.» Spuren hinterlassen. Bernardo Soares, der Hilfsbuchhalter mit seinem Tagebuch, dem «Buch der Unruhe» ist ein Halb-Heteronym* des portugiesischen Dichters und Schriftstellers Fernando Pessoa. Soares ist ein Träumer und Gedankengänger, ein Einzelgänger. Es wird ihm unmöglich sein, dem Unternehmen mit Tatkraft vorzustehen.
Eine der Aufgaben, mit der die «Bernardo Soares & Cie.» betraut wurde, war die Entwicklung eines Verpackungskonzepts für Bücher. Einziger Hinweis der Auftragsgeberin war: passend zu unserer «Traumbuchhandlung». Die Verpackungsanstalt nahm sich viel Zeit und liess sich von der baulichen Umgebung der neuen Buchhandlung inspirieren, der Baustelle. Die Resultate sind entsprechend dem Leitbild der «Bernardo Soares & Cie.» jedoch nicht zu gebrauchen, denn für sie gilt: (nur) «das Unvollkommene ist liebenswert». Die «Bernardo Soares & Cie.» wird also zur Neueröffnung der Buchhandlung nur rudimentäre und traumhaft-bizarre Verpackungen abliefern – bestehend aus Fundstücken, aussortiert aus dem Durcheinander herumliegender Rückstände des Bauens. So als hätte sich das Stoffliche wie von selbst den Büchern bemächtigt.
Wir laden die Besucher der Ausstellung ein, die Arbeiten weiterzuentwickeln und zu vervollständigen. In der KASSETTE liegen diverse Materialien und Bücher bereit. Verpackt Bücher, verpackt Träume! Der Packraum für Bücher steht an den fünf Tagen der Ausstellung während den Öffnungszeiten der Kassette zur Verfügung. Nach der Ausstellung werden die zwei schönsten Objekte in der Buchhandlung am Hottingerplatz ausgestellt.
So wird im Spiel mit Zitaten und Assoziationen ein Gebiet zwischen Gestaltung und Kunst ausgelotet. Im Zentrum steht die Frage, wovon sich Designer bei ihrer Arbeit inspirieren lassen und auf welche Weise der Gestaltungsprozess von möglicherweise unbewussten Gegebenheiten beeinflusst wird. Für eine Buchhandlung zu entwerfen ist eine inspirierende Aufgabe, doch schliesslich müssen ein neues Erscheinungsbild und eine Ladeneinrichtung vor allem eines sein: nützlich und den Charakter, den Ton des Unternehmens treffen.
Zur Entstehungsgeschichte der «Bernardo Soares & Cie.»:
Erst die «Soares», daraufhin die «Bernardo»: es handelt sich hierbei eigentlich um zwei Schriften, entworfen von der dreh gmbh (Marc Droz), exklusiv für die Buchhandlung am Hottingerplatz. Wer sind die restlichen Gesellschafter? Es sind die weiteren Produkte, die re.Form und dr/eh für die Buchhandlung entworfen haben. Bernardo Soares, der Einzelgänger, hat hiermit endlich Gesellschaft erhalten.
* Die Heteronyme Fernando Pessoas (1888–1935) sind «erfundene Kollegen, auf die er sein Ich verteilte» (Barbara Villiger Heilig, NZZ, 2014). Es sind erfundene Personen mit einer eigenen Biografie. Sie schreiben in einem unterschiedlichem Stil und vertreten jeweils eine eigene Weltanschauung.
Pessoa schuf viele solche Heteronyme. «Bernardo Soares» ist ein Sonderfall, denn die Lebensweise dieser Person gleicht derjenigen Fernando Pessoas. Deshalb wird die Bezeichnung «Halb-Heteronym» verwendet.
«anfangen können, das ist es», ein Zitat des Twitterers namens Bernardo Soares. Als Einstimmung empfehlen wir gerne den Account @hilfsbuchhalter. Die Korrespondenz der KASSETTE mit Bernardo Soares kann als Teil der Performance betrachtet werden – und wir hoffen, er fühlt sich durch unsere Anwesenheit nicht gestört. Wir wissen nicht, wer hinter @hilfsbuchhalter steckt: Alle Übereinstimmungen mit unserem Thema sind rein zufällig.
nichtidentität
— bernardo soares (@hilfsbuchhalter) May 1, 2015
selbstparodie
— bernardo soares (@hilfsbuchhalter) April 30, 2015
anfangen können, das ist es.
— bernardo soares (@hilfsbuchhalter) April 20, 2015
@hilfsbuchhalter die "bernardo soares & cie" mit einem verpackungskonzept für bücher. sehr unvollkommene resultate. pic.twitter.com/RQmYWjtY4B
— kassette (@KassetteZH) April 20, 2015
neu ist nicht neu.
— bernardo soares (@hilfsbuchhalter) April 2, 2015
ich beobachte mich.
— bernardo soares (@hilfsbuchhalter) March 20, 2015
das träumen geht weiter.
— bernardo soares (@hilfsbuchhalter) April 13, 2015
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